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III ) BEGEGNUNG mit der Natur

1. Thema : Wildgänse ( Eine Prosaerzählung von Alexander Dowshenko , aus der Ukraine. Freie Übersetzung )

Es wurde Winter . Am Dnepr kam er zwar recht spät und verging fast unmerklich. Bei Frühlingsbeginn brach wieder Kälte ein und es gab Schneestürme. Die Straßen waren tief verweht. Die Arbeit am Staudamm wurde immer schwerer. Aber keiner verlor den Mut. Der Mensch bleibt immer ein Mensch , und wo Armut herrscht, wird es immer Trauer und Sorgen geben. Auch die Familie Krawtschyna wurde davon nicht verschont.

Vögel schreien in der Nacht. Man hört ihren Ruf. Unsichtbar hoch fliegen sie über das Haus hinweg. Was treibt sie wohl bei solchem Schneesturm in diese Kälte hinaus ?

"Hört doch ! Vögel schreien !"

"Wo denn ?"

" Am Haus doch ....da schon wieder..... schau einmal nach ..."

Krawtschyna steht leise auf , denn er will die Seinen nicht wecken.

Da ... in dem kleinen Garten .... sechs Wildgänse. Ganz erschöpft und halb erfroren sind sie aus den Lüften in den Schnee gefallen. Sie wehren sich nicht als er sie in die Stube holt. Da werden die Kinder wach .

"Vater, sind das Gänse ?"

"Ja, Gänse"

"Wildgänse , wie hoch über dem Haus fliegen sie sonst dahin......"

"Vater, schlachten wir sie doch, das würde schmecken."

"Was, wen schlachten...ich wird’s euch gleich geben."

Nach einigen Tagen bekam aber auch seine Frau Maria Appetit auf Gänsefleisch und einige könnten wir ja sogar verkaufen....

Krawtschyna war entsetzt. " Willst du mit heruntergefallenen Vögeln handeln ".

"Na, wenn schon, sie gehören jetzt doch uns."

"Höre, das ist doch keine Jagd, das ist ein Zufall der Natur." ....

"Das ist doch unser Glück ".

"Wessen Glück ? Das ist doch ihre Not ! Und wir sind doch Menschen. Schaut nur wie sie uns furchtsam anblicken, und mit welchem Vertrauen ."

"Was willst du machen, frag ich dich !"

"Ich will Gänsefleisch für uns !"

"Es gibt kein Gänsefleisch ". ..........."Doch es gibt Gänsefleisch, Vater !"

"Ich möchte einen Schlegel essen... und ich, Vater möchte einen Flügel essen".

"Man kann doch keine Flügel essen, sie fliegen doch damit ".

"Schaut doch euren Vater an, der gönnt euch nicht einmal einige Flügel !"

"Seid ruhig, seid still !"........."Schämt euch !"

" Vater........ "

" Laß die Kinder in Ruhe !"

"Nein, laßt mich in Ruhe. Laßt mich in Frieden ! Alle! Ihr habt mir das Leben vergällt .

"Was ? Ich hab dir das Leben vergällt ? Du, ja du hast hast nie verstanden für deine Familie etwas anzuschaffen !"

" Schweig ! Sei still !"

" Soooo....."

" Sei jetzt ruhig, und höre zu schreien auf. Ich höre dauernd nur : essen, essen .!"

Wie viele böse Worte fielen da , wie grausam sie sich einander begegnen.. Wozu Armut und schlechte Kleidung die Menschen bringen kann.......

Krawtschyna ist seiner Frau nun sehr böse, und er läßt die Wildgänse frei . Voll Unruhe sind die grauen Vögel aufgeflogen, schweben und schweben dahin........

Er steht und schaut ihnen nach, den Kopf zum Himmel erhoben. Er rennt auf den kleinen Hügel hinauf, die Hände geöffnet, als fühle er, wie er sich von der Erde erhebt. Aber er reißt sich nicht von ihr los.

Da kommt es ihm plötzlich vor, als ob jemand hinter ihm schluchze. Er dreht sich um und sieht seine Frau in der Haustüre, --- aber es ist nicht seine Frau, die er bereits seit vielen Jahren kennt, sondern eine ganz andere. Ihr verweintes Gesicht strahlt in der Morgendämmerung . In diesem Augenblick sehen sie sich wieder wie vor langer, langer Zeit, jung und schön.

Sie lieben einander.

Sie spricht zu ihm die zärtlichsten Worte. Ihr Kopf liegt auf seiner Brust und sie hört sein Herz schlagen. Wir sehen sein gutes, nachdenkliches Gesicht. Er ist etwas traurig in diesem Augenblick der Offenbarung.

" Wie wunderbar du bist!" Wie gut ich dir bin!" Wie teuer sind mir deine Kraft und Freiheit, Iwan! Müht sich denn jemand so ab, wie du !" "Deine Hingabe ist unendlich tief. Nein. Du hast so viel geopfert !".......

"Du aber auch, vielleicht sogar noch mehr !"

" Liebst du mich ?!"

" Ja ich liebe dich. Wie gut, daß wir die Wildgänse in Ruhe gelassen haben. "

" Halt mich fester.......Hörst du ? Sie fliegen......."

" Der Frühling naht. Der Dnepr wird seine Fluten wie immer über die weiten Fluren ergießen."

" Das Meer wird kommen. Es wird einem bange."

" Ja !"

"Oh........ihre Flügel rauschen wieder......."

Einander umarmend, beginnen sie leise ihr Lieblingslied zu singen :

"Aus den Fernen kamen Wildgänse geflogen,

Und sie trübten die Donau, ihre stillen Wogen."

Sie schlummern ein. Ihre vier Kinder schlafen still nebeneinander.

Und sie träumen, daß sie zusammen mit den Vögeln und Kindern umarmt davonfliegen.

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