|
A) Appell an die alte Generation ! Motto : Allein auf der Waage der Wahrheit können Ideal und Wirklichkeit einander begegnen ! Noch ehe ich begonnen habe, höre ich euch spotten :Reden werden wahrhaftig genug gehalten. Und ich weiß , euch klingen die langen Worte und ihr oft so kurzer Sinn, den der Dampfhammer der Phrase breitschlug, kaum anders mehr denn gestanztes Blech. Ihr seht sie ungern auf ihre Gültigkeit an. Das bedachtsame Prüfen ist noch nicht eure Sache. Und die Kritik wollt ihr erst erlernen, aber ihr selbst steht euch dabei noch allzu unbeholfen im Wege, als dass ihr euch auf ein gerechtes Urteil verstehen könntet. Dennoch erhebe ich meine Stimme vor euch - für euch, und ihr werdet mich anhören wollen . Dass ich aus eurer Mitte spreche, ein Überlebender der auf allen Kriegsschauplätzen Europas verbluteten Geburtsjahrgänge 1915 bis 1925 , das schafft reinen Tisch zwischen uns und gleiches Recht zum offenen Wort . Denn ich war ein Ringender mit euch , ich war ein Leidender mit euch, und ich bin ein Getäuschter und Suchender mit euch.! So haben wir die Sehnsucht gemeinsam nach erneutem Glauben , nach erlösender Liebe und beflügelnder Hoffnung. Dass diese Sehnsucht sich uns gemeinsam erfüllen möge , dazu will ich euch in gemessener Vernunft sprechen , doch richtet es nicht, wenn die Zunge sich des überfließenden Herzens manchmal nicht erwehren sollte. Ihr verlangt nach Taten ; es sollte euch selbst nach Taten verlangen ! Diese meine Rede will eine Tat sein. Sie schlage euer überempfindliches Misstrauen in Trümmer, sie verscheuche die bösen Nebel der Gedankenlosigkeit vor eurer Stirn, sie sprenge eure Gleichgültigkeit in die Luft ! Diese Rede sei eine Tat, feindlich gerichtet auf euer Schweigen , das ihr selber nicht begreift und mit Bitterkeit und Hohn, Räuschen und Grobheiten zu übertönen sucht. Wenn Schreien nur Mut machte , allein schon damit wäre jedes Wort gerechtfertigt, das wider eure Resignation anrennt und auch aufschreckt aus dem tödlichen Erschlaffen eurer besten Kräfte. Denn nichts ist verhängnisvoller in dieser Zeit als euer Verstummen. Es ist wie eine Eisdecke, die sich über den verborgenen Keimling eurer und unseres Volkes Zukunft legt, es ist wie eine bleierne Wintermüdigkeit im Vorhof des Sterbens. Ich beschwöre euch : Seht auf den Geist , der hoch über der Wüstenei schwebt, die wir Vaterland nannten ! Seht das verschüttete Leben , das der Erlösung harrt ! Seht doch das stumme Erwarten der blutig entsühnten Erde - ihr solltet ihr Schöpfer werden ! Findet endlich zu euch selbst , denn euer ist das Wort : Es werde Licht ! Euer ist die Tat ! Lasst mich die ersten abgewogenen Silben sprechen , die fortklingen sollen in eurem Handeln. Schaut mit mir hinter das verblichene Antlitz so oft gebrauchter Worte, damit wir ihren unzerstörbaren Tiefsinn entdecken. Wir wollen neue Begriffe prägen, deren Gewicht uns den Geist der Zukunft wägen soll. "..............Wenn wir die geschichtliche Notwendigkeit diesmal nicht begreifen , werden wir , all diese europäischen Staaten, in ganz naher Zukunft nur als eine Art politischer Gartenzwerg hinter fremden Zäunen existieren. Dann ist es zu spät . EUROPA ist aber kein Eckensteher der Geschichte, sondern die kraftvollste kulturschöpferische Potenz des Erdkreises !"........ (Sabais 1965 in einer Dankrede an den Europarat und an Senator Henri Terre ) Dieses Buch von Heinz Winfried Sabais wurde mir zur Erinnerung an den Grenzgang 1982, Veranstalter der Magistrat der Stadt Darmstadt, mit einer persönlichen Widmung übergeben. Heinz Winfried Sabais ist für mich der Flieger - Kamerad , der auf allen Kriegsschauplätzen Europas verbluteten Geburtsjahrgänge 1915 - 1925 . Heinz Winfried Sabais ist mit vielen Überlebenden aus diesen Jahrgängen wohl berechtigt reinen Tisch zwischen uns und gleiches Recht zum offenen Wort zu machen. So haben wir heute die Sehnsucht, die sich uns gemeinsam erfüllen möge, die Sehnsucht nach gemeinsamen, erneuertem Glauben. nach erlösender Liebe und beflügelnder Hoffnung. Diese Leseprobe aus dem Buch FAZIT (Herausgegeben von der Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde e.V. 1982) von Heinz Winfried Sabais
B ) Der Glaube an Europa führt in die Zukunft . Es kann sich jedoch in der vorliegenden Darlegung nicht nur darum handeln , verschiedenen Interpretationen nachzugehen ; es wird vielmehr zunächst in den historischen Grundlinien das gegenwärtige und zukünftige Europa zu suchen und darzustellen sein . Das Ziel einer europäischen , staatsbürgerlichen Erziehung : Damit sei gesagt , daß das heutige Europabild aus einer Reihe von Komponenten besteht , die bis zur Gegenwart heraufgeführt und nun zu einer Ganzheit geführt werden muß. An dieser Stelle möchte ich Sie alle aber bitten , überall dafür vordringlich zu wirken, daß unsere gegenwärtige Jugend , der die Zweifel und die mißgünstigen Verhältnisse unserer eigenen Jugend , was den Glauben an ein EUROPA anlangt , erspart geblieben sind , in dieser Einstellung nicht erschüttern , sondern bestärken. So bin ich überzeugt, daß wir es mit einer Jugend zu tun haben, die an Europa glaubt. Unsere große Aufgabe ist es nun, daß SIE in Ihrem eigenen Herzen eine Gläubigkeit wachhalten und erwecken , die Sie dann den jungen Menschen vorbehaltlos weitergeben sollen. Es gilt die Notwendigkeit , Vorurteile und historische Fehlmeinungen in Teilen der älteren Generation zu überwinden. Zu verschieden ist der erlebte Hintergrund der älteren und der jüngeren Generation , als daß man ohne ernste Opferbereitschaft und Liebe zu einem gemeinsamen Ziel , zu einem beide Generationen verbindenden Europa , kommen kann . Wenn wir die Erlebniswelt der heutigen Jugend an uns vorbeiziehen lassen , ermessen wir die ganze Tragik und Wucht der historischen Umwälzung in Europa des 20. Jahrhunderts . Je weiter wir nun in den Bereich der jungen Generation vordringen , um so unkomplizierter wird das natürliche Verhältnis zu Europa in seiner heutigen Gestalt. Die heutige Jugend , die heutige europäische Jugend, verabscheut den Nationalismus der Vergangenheit. Ein europäisches Nationalbewußtsein wird daher nur ein Akt der geistig- kulturellen Selbstbesinnung sein und nie in die Bereiche des Chauvinismus abgleiten, dessen Wiederkehr sicher niemand ernstlich wünscht. Wir müssen uns also der international üblichen Terminologie anschließen und ein Glied in der Kette souveräner Nationen sein. So gesehen ist der Gedanke der nationalen Eigenständigkeit Europas und seiner Völker keinesfalls ein Abgleiten in überwundene Bereiche des Nationalismus , sondern ein überfälliger Akt europäischer Selbstbesinnung als Voraussetzung zur Bewältigung der bedeutenden europäischen Aufgabe am neuralgischen Punkt dieses Kontinents. Zu diesen übernommenen Verpflichtungen tritt aber ein neuer , wie ich meine , zentraler kulturpolitischer Auftrag , bei dessen Erfüllung die Musik eine entscheidende Hilfe anzubieten vermag. .Damit meine ich die Klärung und Sicherung des Begriffes Nation und den Nachweis von Möglichkeiten kultureller Koordination der Nationen im Dienste einer übergeordneten Menschheitsidee . Die Gleichstellung Sprachgemeinschaft und Kulturgemeinschaft vermag einer ernsten Kritik heute nicht mehr standzuhalten . Sicherlich ist diese übernationale Aufgabe , die tief in der historischen Entwicklung begründet liegt , mit ein Grund für den teilweise schmerzhaften Vorgang bei der Geburt eines europäischen Nationbewußtseins . Es geht nicht mehr darum , zu beherrschen , zu erobern , zu unterdrücken . Frei von der Last des Herrschens , denn es ist eine Last ; lediglich des Verdachtes , andere beherrschen zu wollen ; nicht im Streit befangen vermögen wir dieser, Aufgabe besser als früher gerecht zu werden. Das alles sei besonders der Jugend gesagt .Diese Einstellung erscheint mir von Wert , von Wert der Jugend ein Ziel zu setzen.. Ein Ziel ,das ihr bisher fehlt. Kein romantisches , in den Wolken schwebendes Ziel ; das nimmt die Jugend von heute nicht an . Aber doch ein Ziel , an dem sich die Begeisterung entzünden kann , denn ohne Begeisterung kommt Jugend, auch die von heute , nicht aus. Otto Pirzl, 19.9.1999 |